Arbeitsmarktchancen von Geflüchteten verbessern
«Arbeitsmarkthürden für Geflüchtete – Herausforderungen und Lösungsansätze im Kanton Aargau» – unter diesem Titel hat Caritas am Donnerstag, 22. Mai 2025, Interessierte zu Fachreferaten und einem Podium in das Aarauer Naturama eingeladen. Bei dem öffentlichen Abendanlass diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft über die Hürden und mögliche Lösungsansätze zur besseren Arbeitsmarktintegration – mit besonderem Fokus auf den Kanton Aargau.
Zu Beginn des Abends begrüsste Elisabeth Burgener, Präsidentin von Caritas Aargau, die Podiumsteilnehmen-den und Gäste des Abends, darunter Vertreter*innen aus Partnerorganisationen, Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie Mitarbeitende. Es sei in Zeiten grosser Herausforderungen wichtig, mit Anlässen wie diesen den Austausch und die Zusammenarbeit zu fördern. Auch Fabienne Notter, Co-Geschäftsleiterin Caritas Aargau, hiess die Anwesenden willkommen. Caritas Aargau wolle mit dem Abend auch gerade jenen Menschen eine Stimme geben, die sonst keine Lobby haben.
Referat: Zahlen zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteter in der Schweiz
Das Einstiegsreferat hielt Prof. Dr. Michael Siegenthaler, Leiter des Forschungsbereichs Schweizer Arbeitsmarkt der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Er präsentierte Zahlen zur Erwerbstätigkeit und legte dar, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in der Schweiz gegenüber vergleichbaren Ländern relativ schleppend verläuft und nur wenige Flüchtlinge in den ersten Jahren eine Stelle haben. In seinen Ausführungen legte Siegenthaler den Fokus auf die Rolle von Arbeitgebenden und kantonalen Gesetzgebenden.
Er zeigte auf, inwiefern Geflüchtete beim Anstellungsprozess – häufig unbewusst – diskriminiert werden und was allenfalls dagegen getan werden kann. Zudem ging er auf administrative Hürden wie den Inländervorrang ein und legte dar, wie Arbeitsverbote langfristige negative Folgen für die Integration haben, jedoch kaum Nutzen für den restlichen Arbeitsmarkt zeigen.
Standortbestimmung für den Aargau
Sibel Karadas, Leiterin der Sektion Integration und Beratung des Amtes für Migration und Integration Kanton Aargau, nahm eine kurze Standortbestimmung für den Aargau vor. Sie betonte, dass im Kanton Aargau im Bereich der Arbeitsmarktintegration ein besonderer Fokus auf die Nachhaltigkeit gelegt werde, um Geflüchtete langfristig von der Sozialhilfe abzulösen. Kurz stellte sie dar, wie der Kanton Aargau die seit 2019 eingeführte bundesweite Integrationsagenda Schweiz umsetzt und dabei konkrete Wirkungsziele verfolgt. Ebenso präsentierte sie Ziele und Massnahmen im Bundesprogramm für Personen mit Schutzstatus S. Anhand aktueller Statistiken und Analysen zeigte sie einen stetigen Fortschritt in der Arbeitsmarktintegration auf. Als Fazit hielt sie fest, dass der Aargau im interkantonalen Vergleich gut dastehe und die Ziele unter anderem aufgrund des guten Zusammenspiels der Akteure erreiche.
Podiumsdiskussion: Herausforderungen und Lösungsansätze
Im Anschluss startete das Podium. Journalistin und Moderatorin Anne Kaethi Kremer begrüsste dazu neben Michael Siegenthaler und Sibel Karadas die Nationalrätin Irène Kälin, Präsidentin des Dachverbands ArbeitAargau, und den Unternehmer Marco Tschudin, Vorstandsmitglied der Aargauischen Industrie- und Handelskammer.
Sind die politischen Hürden wie die Meldepflichten, der Inländervorrang und Bestimmungen bei der Einbürgerung oder der Anerkennung von Qualifikationen zu hoch? Diese Frage richtete sich zunächst an Irène Kälin. Ja, bestätigte sie – auch wenn die politische Mehrheit dies anders sehe. Sie anerkenne jedoch die messbaren Erfolge der seit 2019 eingeführten Integrationsagenda, die in die richtige Richtung weisen, warnte aber zugleich: Aktuell im Bundesrat diskutierte Sparmassnahmen in diesem Bereich könnten wieder einen Rückschritt bedeuten. Sie wünsche sich vielmehr eine Erhöhung der seit 2019 ausbezahlten Pauschalen von 18’000 Franken pro Person, um von Beginn an eine schnellere und nachhaltigere Integration von Flüchtlingen zu fördern und Folgekosten in der Sozialhilfe zu vermeiden.
Auf die Frage, warum die Arbeitsmarktintegration in der Schweiz langsamer verlaufe als in vergleichbaren Ländern, verwies Michael Siegenthaler auf einen möglichen Grund: Die Schweiz habe lange Zeit einen sehr zurückhaltenden Ansatz bei der Integration verfolgt. Das habe sich inzwischen zwar geändert, aber andere Länder hätten früher Integration gefördert. Grundsätzlich habe die Schweiz jedoch mit ihrer niedrigen Arbeitslosigkeit und einem integrativen Arbeitsmarkt eine gute Ausgangslage, um auch Geflüchtete erfolgreich zu integrieren.
Unternehmer Marc Tschudin schilderte seine Erfahrungen aus dem Alltag seines Architekturbüros, in dem Mitarbeitende mit unterschiedlichen Nationalitäten tätig sind. Es sei zwar mit zusätzlicher Bürokratie verbunden, Personen mit verschiedenem Aufenthaltsstatus einzustellen – für ihn überwögen jedoch klar die Vorteile, die die Vielfalt der Menschen in den Betrieb einbringe. Eine Vereinfachung der Prozesse würde er dennoch begrüssen. Es gebe durchaus unterstützende kommunale Anlaufstellen, diese seien jedoch nicht immer leicht zu finden. Seine Hauptbotschaft: Es funktioniert.
Es sei wichtig, dass Unternehmer besonders informiert, sensibilisiert und unterstützt würden, bestätigte auch Sibel Karadas. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Kontaktstelle Integration Arbeitsmarkt, die Anfragen von Unternehmen direkt beantworte, sodass keine eigenen Recherchen nötig seien. Diese Massnahme sei ein guter Ansatz, sei derzeit aber noch zu wenig etabliert und sollte bekannter gemacht werden.
Auf die Frage, ob die Rückkehrorientierung beim Schutzstatus S ein Problem bei der Anstellung darstelle, antwortete Marc Tschudin, dass es auch bei anderen Angestellten keine Garantie gebe, wie lange sie blieben.
Auch das Thema Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wurde angesprochen. Besonders bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Einbürgerung, sagte Siegenthaler. Der Schweizer Pass werde oft noch als Belohnung für eine gelungene Integration verstanden. Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig: Eine frühere, erleichterte Einbürgerung könnte die Integration nochmals fördern.
Nach der angeregten Podiumsdiskussion beteiligte sich auch das Publikum mit weiteren Rückfragen.
Abschluss und Ausklang
Den musikalischen Rahmen gestaltete das Duo PASDICI mit Chansons über Menschen am Rande der Gesellschaft – passend zum Thema des Abends. Am Ende der Veranstaltung bedankte sich Fabienne Notter bei allen Anwesenden und Beteiligten für ihren Beitrag zu dem spannenden Abend, der bei einem Apéro ausklang.